Fischfond

Fischfond: Das Geheimnis der Meisterköche für perfekte Fischgerichte

Fischfond

Von Franz Huber, Wirtshauswirt seit 35 Jahren

Warum ein guter Fischfond Gold wert ist

In meinen 35 Jahren hinterm Herd im „Goldenen Ochsen“ hab ich eines gelernt: Wer Fisch richtig kochen will, braucht einen anständigen Fischfond. Punkt. Das ist keine Meinung, das ist Tatsache. Wenn mir ein junger Koch erzählt, er macht seine Fischsauce mit Brühwürfel, dann weiß ich schon, dass da nix G’scheites rauskommen kann.

Ich bin kein Gourmetkoch mit Stern und Hauberl, sondern ein bodenständiger Wirtshauswirt. Aber gerade im Wirtshaus, wo die Leute ehrliches Essen erwarten, macht ein selbstgemachter Fond den Unterschied zwischen „ganz gut“ und „unbedingt wieder kommen“.

Viele Hobbyköche trauen sich nicht an Fischfond ran. „Stinkt das nicht die ganze Küche aus?“, fragen sie mich. Oder: „Kann ich nicht einfach den Fertigfond aus dem Supermarkt nehmen?“ Könnt ihr schon – aber dann schmeckt’s halt auch so. Ein richtig gemachter Fischfond stinkt übrigens nicht, wenn man weiß, wie’s geht. Er duftet fein nach Meer, nach frischen Kräutern und Gemüse.

Lasst mich euch zeigen, wie wir das seit Jahrzehnten in meinem Wirtshaus machen – ganz ohne Firlefanz, aber mit dem Wissen, das ich von meinem Vater gelernt hab und er von seinem.

Was einen echten Fischfond ausmacht

Ein guter Fischfond ist die Basis für fast alles, was mit Fisch zu tun hat: Suppen, Saucen, Risotto, Eintöpfe. Er ist im Grunde nichts anderes als eine Brühe aus Fischkarkassen (also den Gräten und Köpfen), Gemüse und Gewürzen. Aber wie so oft liegt die Kunst im Detail.

Anders als beim Rinderfond werden die Zutaten beim Fischfond nicht angeröstet. Hier geht’s um Finesse, um zarte, subtile Aromen. Ein Fischfond soll den Geschmack des Meeres oder des Süßwassers einfangen, nicht überdecken. Er soll den Fisch unterstützen, nicht dominieren.

In der Wirtshausküche ist ein guter Fischfond unersetzlich. Er gibt der Fischsuppe ihre Tiefe, der Sauce zum Zander ihre Eleganz und dem Hummerbisque seinen unverwechselbaren Charakter. Ohne einen ordentlichen Fischfond ist ein Fischgericht wie ein Lied ohne Melodie – es fehlt einfach das Wesentliche.

Die Zutaten: Was in den Topf kommt und warum

In meinen Jahrzehnten als Wirtshauswirt habe ich gelernt, dass bei einem Fischfond die Frische und Qualität der Zutaten noch wichtiger ist als bei anderen Fonds. Hier ist, was ihr braucht:

Die Basis – Fischkarkassen als Geschmacksträger

Fischkarkassen: Das Rückgrat eures Fonds sind – nun ja, tatsächlich Rückgrate. Und Köpfe, Flossen und Schwänze von weißfleischigen Fischen. Für 3 Liter Fond braucht ihr etwa 1,5-2 kg Fischkarkassen. Wichtig: Keine fettigen Fische wie Lachs, Makrele oder Hering verwenden – die geben einen zu intensiven, öligen Geschmack.

Ideal sind:

  • Seezunge
  • Dorade
  • Wolfsbarsch
  • Kabeljau
  • Zander
  • Forelle
  • Scholle

Wichtig: Kiemen immer entfernen! Sie machen den Fond bitter. Auch die Augen sollten entfernt werden, sie können einen trüben Fond verursachen.

Das Gemüse – die aromatische Basis

Fischsuppenbasis: Für einen klassischen Fischfond nehme ich:

  • 2 Stangen Staudensellerie, gewürfelt
  • 1 Lauchstange (nur das Weiße), in Ringe geschnitten
  • 1 mittelgroße Fenchelknolle, gewürfelt (gibt eine wunderbare Süße und passt perfekt zu Fisch)
  • 2 Schalotten oder 1 kleine Zwiebel, fein gewürfelt
  • 1 kleine Karotte, gewürfelt

Wichtig: Beim Fischfond keine Gemüse verwenden, die zu dominant sind oder den Fond verfärben könnten. Daher nur wenig Karotte und keine roten Zwiebeln.

Die Aromatisierung – der Feinschliff

Gewürze und Kräuter: Zurückhaltend, aber wichtig:

  • 1 Lorbeerblatt
  • 3-4 Stängel frische Petersilie
  • 2 Stängel frischer Dill (optional, aber besonders gut zu Süßwasserfischen)
  • 1 kleiner Zweig Thymian
  • 5-6 weiße Pfefferkörner (milder als schwarze)
  • 1 TL Senfkörner (optional)

Zum Ablöschen:

  • 100 ml trockener Weißwein (nichts Süßes!)
  • Alternativ: 50 ml Noilly Prat oder trockener Wermut für mehr Komplexität

Zum Verfeinern (optional):

  • 1 EL Tomatenmark für etwas Farbe und Umami (nur bei dunklerem Fond)
  • 1 Spritzer Zitronensaft am Ende (bringt die Aromen zum Singen)

Das Rezept: Wie wir’s im Wirtshaus machen

Zutaten für etwa 3 Liter Fischfond:

Für die Basis:

  • 1,5-2 kg Fischkarkassen (Gräten, Köpfe ohne Kiemen und Augen)
  • 2 Stangen Staudensellerie, gewürfelt
  • 1 Lauchstange (weißer Teil), in Ringe geschnitten
  • 1 Fenchelknolle, gewürfelt
  • 2 Schalotten oder 1 kleine Zwiebel, fein gewürfelt
  • 1 kleine Karotte, gewürfelt
  • 2 EL Butter zum Anschwitzen

Zum Ablöschen und Aromatisieren:

  • 100 ml trockener Weißwein
  • 3,5 Liter kaltes Wasser
  • 1 Lorbeerblatt
  • 3-4 Stängel frische Petersilie
  • 2 Stängel frischer Dill (optional)
  • 1 kleiner Zweig Thymian
  • 5-6 weiße Pfefferkörner
  • 1 TL Senfkörner (optional)
  • 1 EL Tomatenmark (optional)
  • 1 Spritzer Zitronensaft zum Abschmecken

Zubereitung:

Vorbereitung – hier entscheidet sich die Qualität

  1. Fischkarkassen vorbereiten: Die Karkassen gründlich unter kaltem Wasser abspülen, um Blutreste zu entfernen. Kiemen und Augen unbedingt entfernen! Die Karkassen in handliche Stücke schneiden oder brechen, damit sie besser in den Topf passen.
  2. Gemüse vorbereiten: Das gesamte Gemüse in gleichmäßige, kleine Würfel schneiden. Je kleiner die Stücke, desto besser können die Aromen in den Fond übergehen.

Der Kochprozess – Sanftheit ist alles

  1. Gemüse anschwitzen: In einem großen Suppentopf (mindestens 5 Liter Fassungsvermögen) die Butter bei mittlerer Hitze schmelzen. Das gesamte gewürfelte Gemüse darin etwa 5 Minuten sanft anschwitzen, bis es weich wird, aber keine Farbe annimmt. Das ist wichtig: Beim Fischfond wollen wir keine Röstaromen!
  2. Tomatenmark hinzufügen (optional): Falls verwendet, das Tomatenmark kurz mitdünsten, aber nicht bräunen lassen.
  3. Mit Weißwein ablöschen: Mit dem Weißwein ablöschen und etwa 2 Minuten köcheln lassen, damit der Alkohol verdampft.
  4. Fischkarkassen hinzufügen: Die vorbereiteten Fischkarkassen in den Topf geben und kurz umrühren.
  5. Mit Wasser auffüllen: Mit kaltem Wasser auffüllen, bis alles gut bedeckt ist (etwa 3,5 Liter). Kaltes Wasser ist wichtig, damit der Fond klar wird.
  6. Gewürze und Kräuter hinzufügen: Alle Gewürze und Kräuter hinzugeben.
  7. Sanftes Köcheln: Den Fond zum Kochen bringen, dann sofort die Hitze reduzieren, sodass er nur noch sanft simmert. Wichtig: Ein Fischfond darf nie sprudelnd kochen, sonst wird er trüb und kann einen unangenehmen Geschmack entwickeln. Schaum, der sich an der Oberfläche bildet, vorsichtig abschöpfen.
  8. Kurze Kochzeit beachten: Anders als Rinderfond braucht Fischfond keine lange Kochzeit. 30-40 Minuten sind völlig ausreichend. Längeres Kochen kann sogar den Geschmack beeinträchtigen.

Fertigstellung – Klärung und Verfeinerung

  1. Abseihen: Den Fond durch ein feines Sieb oder ein mit einem Küchentuch ausgelegtes Sieb in einen anderen Topf gießen. Die festen Bestandteile nicht ausdrücken, sonst wird der Fond trüb.
  2. Reduzieren (optional): Für einen intensiveren Geschmack kann der abgeseihte Fond noch etwa um ein Drittel reduziert werden. Dafür bei mittlerer Hitze ohne Deckel köcheln lassen.
  3. Abschmecken: Mit einem Spritzer Zitronensaft und eventuell etwas Salz abschmecken. Vorsicht mit dem Salz, besonders wenn der Fond für Saucen verwendet wird, die noch weiter reduziert werden.

Konservieren – Vorrat anlegen

  1. Abkühlen: Den Fond schnell abkühlen lassen, am besten im Eisbad. Je schneller er abkühlt, desto länger hält er sich.
  2. Einfrieren: Fischfond hält sich im Kühlschrank nur 1-2 Tage. Am besten portionsweise einfrieren – in Eiswürfelformen für kleine Mengen oder in Gefrierbeuteln für größere Portionen. Im Gefrierschrank hält er sich bis zu 3 Monate.
  3. Beschriften: Datum und Inhalt auf die Gefrierbeutel schreiben – nach ein paar Wochen weiß man sonst nicht mehr, was drin ist und wie alt es ist.

Praktische Tipps aus der Wirtshausküche

Nach 35 Jahren am Herd habe ich ein paar Tricks speziell für Fischfond gelernt:

Für den perfekten Fond:

  • Nie kochen, nur simmern: Ein sprudelnder Fischfond wird trüb und kann einen fischigen Geruch entwickeln. Haltet die Temperatur knapp unter dem Siedepunkt.
  • Kurz und schonend: Fischfond braucht keine lange Kochzeit. 30-40 Minuten reichen völlig aus.
  • Frische ist alles: Verwendet nur absolut frische Fischkarkassen. Am besten direkt vom Fischhändler, wenn er die Fische filetiert hat.
  • Kiemen entfernen: Ich kann es nicht oft genug sagen: Die Kiemen müssen raus, sonst wird der Fond bitter.
  • Keine fettigen Fische: Lachs, Makrele, Hering und andere ölige Fische machen den Fond zu dominant und können ranzig werden.

Für die Lagerung:

  • Schnell abkühlen: Fischfond verdirbt schneller als andere Fonds. Daher nach dem Kochen im Eisbad schnell herunterkühlen.
  • Kleine Portionen: Friert den Fond in verschiedenen Portionsgrößen ein – Eiswürfel für Saucen, 100ml-Portionen für Risotto, größere Mengen für Suppen.
  • Vakuumieren: Wenn ihr die Möglichkeit habt, vakuumiert den Fond vor dem Einfrieren. Das verhindert Gefrierbrand und hält Gerüche fern.

Für die Verwendung:

  • Sparsam einsetzen: Fischfond ist intensiver als ihr denkt. Lieber vorsichtig anfangen und bei Bedarf mehr hinzufügen.
  • Nicht überwürzen: Der Fond soll den Fisch unterstützen, nicht überdecken. Daher zurückhaltend mit zusätzlichen Gewürzen sein.
  • Zum Schluss abschmecken: Erst ganz am Ende mit Salz und eventuell einem Spritzer Zitrone abschmecken.

Verwendung: Was ihr mit eurem flüssigen Meeresschatz machen könnt

Ein guter Fischfond ist die Basis für zahlreiche Gerichte. Hier sind einige klassische Verwendungen aus meiner Wirtshausküche:

Klassische Saucen:

  • Beurre Blanc: Eine klassische französische Buttersauce, verfeinert mit Fischfond – perfekt zu Seezunge oder Steinbutt.
  • Safransauce: Fischfond mit einem Hauch Safran, etwas Sahne und Weißwein reduziert – ideal zu Schalentieren und weißem Fisch.
  • Nage: Eine leichte, aromatische Sauce aus Fischfond, Gemüsejulienne und einem Schuss Weißwein – wunderbar zu gedämpftem Fisch.
  • Hummersauce: Fischfond mit Hummerresten, Brandy und etwas Tomatenmark zu einer luxuriösen Sauce verarbeitet.

Traditionelle Gerichte:

  • Bouillabaisse: Die berühmte provenzalische Fischsuppe basiert auf einem kräftigen Fischfond.
  • Fischsuppe: Eine einfache, klare Suppe aus Fischfond mit Gemüsejulienne und Fischstückchen.
  • Risotto ai Frutti di Mare: Meeresfrüchterisotto, bei dem der Fischfond statt Brühe verwendet wird.
  • Fischragout: Verschiedene Fischstücke in einer leichten Sauce aus Fischfond, Weißwein und Sahne.

Verfeinerung:

  • Gedünsteter Fisch: Fisch auf Gemüsebett im Fischfond dämpfen für ein leichtes, aromatisches Gericht.
  • Muscheln: Muscheln statt in Wasser in verdünntem Fischfond öffnen für mehr Geschmack.
  • Nudelsoßen: Eine leichte Soße aus Fischfond, etwas Sahne und frischen Kräutern zu Pasta mit Meeresfrüchten.

Vergleich: Hausgemachter Fond vs. Fertigprodukte

Als Wirtshauswirt bin ich Realist. Manchmal muss es schnell gehen, und nicht jeder hat die Zeit, selbst Fond zu kochen. Aber ich möchte euch ehrlich sagen, wo die Unterschiede liegen:

Geschmack:

  • Hausgemachter Fond: Frisch, klar, mit feinen Nuancen von Meer, Kräutern und Gemüse. Hat eine natürliche Süße und Komplexität.
  • Fertigfond: Oft zu salzig, manchmal mit einem künstlichen „Fischgeschmack“, der an Fischstäbchen erinnert. Kann einen metallischen Nachgeschmack haben.

Zutaten:

  • Hausgemachter Fond: Fischkarkassen, frisches Gemüse, Kräuter, Weißwein – alles natürliche Zutaten.
  • Fertigfond: Oft mit Hefeextrakt, Geschmacksverstärkern, Aromen und Verdickungsmitteln. Manchmal ist der tatsächliche Fischanteil erschreckend gering.

Konsistenz:

  • Hausgemachter Fond: Leicht, klar, mit einer natürlichen, subtilen Bindung.
  • Fertigfond: Oft zu dickflüssig durch Verdickungsmittel oder zu wässrig ohne echte Tiefe.

Kosten:

  • Hausgemachter Fond: Fischkarkassen sind oft sehr günstig oder sogar gratis beim Fischhändler erhältlich, wenn ihr die Filets dort kauft. Die anderen Zutaten kosten nicht viel.
  • Fertigfond: Qualitativ hochwertige Fischfonds gehören zu den teuersten Fertigfonds und können bis zu 20€ pro Liter kosten.

Mein pragmatischer Rat:

Wenn ihr Fisch filetiert, friert die Karkassen ein, bis ihr genug für einen Fond habt. Oder fragt euren Fischhändler – oft gibt er euch die Karkassen gratis mit, wenn ihr bei ihm Fisch kauft. So habt ihr immer Material für einen frischen Fond.

Für den Notfall könnt ihr einen guten Fertigfond im Schrank haben. Wenn ihr ihn verwendet, pepp ihn auf: Etwas frisches Gemüse darin köcheln, einen Schuss Weißwein und frische Kräuter dazu – das verbessert auch einen Fertigfond erheblich.

Wirtshausweisheiten zum Fischfond

In meinen Jahrzehnten als Wirt habe ich einige Weisheiten zum Thema Fischfond gesammelt:

  • „Der Fischfond ist wie ein gutes Parfüm – er soll andeuten, nicht überwältigen.“
  • „An der Fischsauce erkennt man den Fischkoch“ – Wer eine gute Fischsauce machen kann, versteht etwas vom Fischkochen.
  • „Lieber keinen Fond als einen schlechten“ – Bei Fisch ist ein schlechter Fond schlimmer als gar keiner.
  • „Der Fischfond ist der Dirigent im Orchester der Meeresaromen“ – Er bringt alle Komponenten eines Fischgerichts harmonisch zusammen.
  • „Geduld beim Gemüseanschwitzen, Eile beim Fischkochen“ – Das Gemüse braucht Zeit, der Fisch nicht.

Zum Abschluss: Warum es sich lohnt

Als ich vor 35 Jahren mein Wirtshaus übernommen habe, waren Fischgerichte bei uns im Binnenland noch etwas Besonderes. Heute erwarten die Gäste auch im Landgasthof perfekte Fischgerichte. Und das Geheimnis dafür ist – neben frischem Fisch natürlich – ein guter Fischfond.

Wenn ich sehe, wie meine Gäste den letzten Tropfen Safransauce zum Wolfsbarsch mit dem Brot aufwischen, oder wie sie andächtig ihre Bouillabaisse löffeln, dann weiß ich, dass sich die Arbeit gelohnt hat. Ein guter Fischfond ist wie ein gutes Fundament – man sieht es nicht direkt, aber ohne würde alles zusammenfallen.

Ich weiß, in unserer schnelllebigen Zeit scheint es manchmal übertrieben, für „nur eine Zutat“ so viel Aufwand zu betreiben. Aber genau diese Grundzutaten, diese Basis-Elemente sind es, die den Unterschied machen zwischen Essen und Genuss, zwischen „satt werden“ und „ein Erlebnis haben“.

Also nehmt euch die Zeit, sammelt Fischkarkassen, macht euren eigenen Fond und erlebt, wie eure Fischgerichte auf ein neues Niveau gehoben werden. Es ist einfacher als ihr denkt, und das Ergebnis wird euch überzeugen.

Euer Franz Huber

Von simleo

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